Montag, 15. September 2014

Deine große Stunde

Irgendwann erleben viele Menschen ihre große Stunde, ihre große Minute, ihre große Zeit. Es mag die Hochzeit sein, der runde Geburtstag, die Jubilarehrung, die Anerkennung für ein besonderes Projekt, eine sportliche Leistung, ein Auftritt auf einer Showbühne, oder vieles andere mehr; es gibt viele solcher Stunden.
Die große Stunde ist etwas, an das wir uns sehr gerne erinnern. Es löst große Freude aus, wenn wir uns daran erinnern. Wir schauen uns die Bilder an und lächeln. Es war ein schönes Erlebnis. Diese Freude, die wir empfunden hatten, ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Man stand für einen Moment im Mittelpunkt. Wir haben Freude empfunden, weil wir etwas Friedvolles und Gutes, richtig gemacht haben, oder weil wir Menschen sind, die man einmal ehren wollte.
Wir erleben aber auch die große Stunde anderer Menschen. Wir empfinden Freude und feiern mit ihnen zusammen deren Erfolg.
Einmal im Mittelpunkt stehen, einmal die Blicke der Massen auf sich ziehen und die Showtreppe herabzusteigen; wer träumt nicht davon? Und irgendwann steht fast jeder einmal auf der Showtreppe; ob im großen Rahmen oder im Kleinen.
Zwanghaft und fast etwas naiv versuchen viele Menschen diese Stunde herbeizuführen. Mit Angeberei und Luxus, den man sich oftmals gar nicht leisten kann, suchen viele dieses Gefühl fast mit Gewalt herbeizurufen. Doch was sie ernten, ist oft nur das Gegenteil von dem, was sie sich erhoffen.
Es kommt immer darauf an, was gefeiert wird und wie lange man sich daran erinnert.

Das erinnert mich an die Geschichte mit dem verlorenen Schmuckstück. Ein Mann kam in ein kleines Dorf und klagte, dass er seinen wertvollen Ring auf dem Weg in das Dorf verloren hat, und nicht wieder finden konnte. Er wollte ihn verkaufen, weil er das Geld für seine Farm brauchte. Ein anderer Mann, der das hörte rannte sofort aus der Stadt und suchte verzweifelt den Weg ab, von dem der Farmer gekommen war. Doch er fand den Ring nicht. Er wollte ihn für sich behalten, und in der entfernten Stadt verkaufen. Wütend musste er feststellen, dass eine alte Frau den Ring zufällig fand und in der Stadt fragte wem er wohl gehörte. Sie legte keinen Wert auf Reichtum; sie war froh, wenn sie jeden Tag zu essen hatte. Als der Farmer den Ring wieder bekam, ehrten alle Menschen die alte arme Frau und man feierte sie. Von nun an bekam sie immer etwas, auch dann, wenn sie kein Geld hatte. Auch der Farmer half ihr immer wieder. Der Mann der den Ring zuerst suchte und verkaufen wollte lebte weiter in seinem Hass, seinem Neid und seinem Selbstmitleid.

Die größte Freude empfindet man, wenn man etwas gibt.

Die große Stunde kann oftmals sehr kurz sein, und sie verfliegt sehr schnell. Selbst bei großen Showstars kommt nach zu viel Glanz und Glamour, oft ein tiefer Fall. Was übrig bleibt sind manchmal Tränen, Leid, Schmerz und Erinnerung.
Man kann diese Momente nicht festhalten. Wenn man sich aber bewusst wird was man hat, empfindet man hingegen wieder viel Freude.
Ich sah in meiner Heimat kürzlich ein fantastisches Fest. Viele Menschen sind mit ihren fantastischen, bunten und geradezu bizarren Kostüme gekommen und wurden massenhaft fotografiert. Sie erlebten ihre große Stunde. Es war ein buntes, fantasievolles, aufregendes Fest. Die schillerndsten besten fantasievollsten Kostüme konnte man bewundern. Viele schöne, aber auch gruselige Figuren waren zu sehen. Und immer wieder die Fotoapparate.

Und dazwischen … ja … dazwischen, und ganz unscheinbar, ein Mann im Rollstuhl, der sein Gefährt nur mit seiner Unterlippe steuern konnte.

Und wieder sah ich die tollen Fantasie-Menschen umherlaufen. Und wieder sah ich die vielen Fotoapparate. Einige Menschen hatten ihre große Stunde; Stunden, die sie so schnell nie vergessen werden. Und lange noch, wird man sich die bunten Fantasie Bilder ansehen; Bilder die man nur auf diesem Fest machen kann. Bilder die Menschen zeigen die viel Zeit, Geduld und Liebe in ihr Hobby gesteckt haben.
Doch niemand hat den Mann fotografiert; den Mann im Rollstuhl, der sein Gefährt nur mit seiner Unterlippe steuern kann.
Es war ein wirklich schönes und tolles Fest. Ich habe die Menschen mit den Fantasiekostümen bewundert, und vielleicht, einem kleinen Augenblick lang, sogar beneidet. Dann aber, als ich diesen Mann im Rollstuhl sah wusste ich, dass auch ich – ohne Fantasie-Kostüm – aus seiner Sicht, zu den glücklichen Menschen gehöre, die ihr Glück nur nicht richtig erkennen.

Da wusste ich, ich brauche niemanden zu beneiden, der so ein tolles Kostüm hat und seinen großen Tag erlebt. Ich habe meine großen Stunden jeden Tag, die Gott mir Gesundheit und Leben schenkt.

Die größte aller Stunden sind die, nach denen man nicht sucht. Wer sich von seinem Herzen leiten und führen lässt, und frei und unabhängig Denken gelernt hat, wird eines Tages einen Ring finden, der so wertvoll ist, dass die Menschen noch lange Zeit davon reden werden. 

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